Selbst drei Stunden vor dem offiziellen Einlass finden sich schon zahlreiche Fans im kühlen Nieselregen vor dem MTC in Köln ein, um DEATHGAZE die vorerst letzte Ehre in Deutschland zu erweisen. Dieser restlos ausverkaufte Gig wird eine wehmütige Freude hinterlassen, denke ich mir. Denn seit Bekanntgabe einer Schaffenspause dieser Formation, bleibt die Zukunft und damit ein Wiedersehen ungewiss. Doch davon ist den ausharrenden Fans nichts anzumerken. Erwartungsvolle Gesichter aus Bayern, Sachsen, der Pfalz, Russland, natürlich Köln itself und vielen Weiteren, blockieren friedlich den Eingang zum MTC.
Für die Glücklichen mit einem VIP-Ticket beginnt kurz nach halb Sieben ein kleines Meet&Greet in den unteren Räumlichkeiten und eröffnet damit den Einlass. Zahlreiche Hände werden geschüttelt und kleine Geschenke übergeben. Darunter lassen sich Kekse, Wein und charmant gestaltete Liebeserklärungen an die Band, finden.
Nachdem sich DEATHGAZE wieder zurück gezogen haben, rücken die Fans dichter an die noch leer stehende Bühne und erwarten das kommende Spektakel. Sollte man die Größe des MTC beschreiben, fällt die Frage danach sichtlich schwer. Der Platz zum Headbangen, Pogen und Moschen wirkt sehr überschaubar, für eine Band die sich seit über 10 Jahren mit melodischem Metal in die Herzen ihrer Fans weltweit verewigt hat. Nichtsdestotrotz kann man eine gewisse familiäre Atmosphäre nicht abstreiten. In diesem Jahrzehnt hat sich natürlich auch viel in der Fanbase DEATHGAZE‘ getan. Und so trifft man mit Begeisterung überdurchschnittlich viele männliche Fans.
Pünktlich 20 Uhr gibt es die letzten Einstellungen der Bühnentechnik. Dann noch die freundlichen Hinweise auf Verbote für Foto- und Videoaufnahmen, sowie das Verbot auf das Berühren der Bandmitglieder, das Drücken nach vorn und dass man hofft, dass alle überleben werden. Das Lachen weicht dem einleitenden Klatschen der Fans, die es sichtlich nicht mehr erwarten können DEATHGAZE in Empfang zu nehmen. Nacheinander betreten die Bandmitglieder die kleine Bühne und lassen nichts Anbrennen.
Mit "CREATURE" wird ohne Umschweife das Konzert eröffnet. Während sich Ai anfänglich bemühen muss, seine Stimme kontrolliert in Szene zu setzen, begeistert Naoki an den Drums. Wie ein Uhrwerk wird dort eine erstklassige Doublebass hingelegt. Das Publikum bleibt dennoch, für DEATHGAZE Verhältnisse, etwas verhalten. Und so geht es mit "DEAD BLAZE" nahtlos weiter. Keine Begrüßung, keine Umschweife, keine Kompromisse! Abermals hämmert uns eine grandiose Drumleistung entgegen und Ai scheint sich mit der Mischung aus Growlen und Shouten auch sicherer zu fühlen und trifft wieder jeden Ton. Man verzeiht ihm die Startschwierigkeiten und lässt sich von dem Blitzlichtgewitter der Bühne in Trance ziehen.
Kleine aufmunternde Worte der Begrüßung zwischen den weiteren Songs scheinen zu kurz für eine Verschnaufpause der meist recht jungen Fans. Obwohl "COME ON!!!" und die weniger ernstgemeinte Phrase "FUCK YOOOUUU!!!" nicht als Begrüßung zählen, aber von den Fans stets lautstark kommentiert wird. So kommen mir bei der ersten kleinen Unterbrechung nach "NEWBORN -wrongful life-". Einige an der Bar entgegen, auf der Suche nach einem Glas Wasser und verpassen dadurch leider die Möglichkeit eines der Plektren von Gitarrist Takaki zu ergattern, die er bereitwillig in die wilde Masse übergibt. Beim darauffolgenden Song finden aber alle ihren Weg in die Menge zurück. "forsaken" beinhaltet so ziemlich alles was DEATHGAZE ausmacht. Darunter nicht nur einen mit Gitarre geschmückten Ai, den dieses Accessoires elegant wirken lässt, sondern vor allem ein romantisch anmutender Gitarrenriff, stimmliche Höhen und Tiefen, gefolgt von einschlägigen Bass- und Drumlinien. Gerade das kleine, hingebungsvoll inszenierte Gitarrensolo wird unter andächtigem Kreischen zelebriert. Das ist DEATHGAZE‘ eigener Stil, mit dem sie so erfolgreich geworden sind.
Es folgt der Klassiker "Dies Irae / ディエスイレ", wo die Stimmung ihren ersten Höhepunkt erreicht. In dem ausverkauften Club wird es heißer, das Publikum ausgelassener. Und gerade bei einem derartigen Song, wo sich die Energie anbahnt aber erst spät explodiert, gibt es kein Halten mehr. Die Anspannung liegt nicht nur in der Luft, sondern steht direkt zwischen den Fans. Erst mit Ai’s sanften Hauchen und einem lauten Schrei bewegt sich die Masse wieder in alle Richtungen. Ich sehe Arme wild umher schwingen, Köpfe von rechts nach links tänzeln und dabei headbangen, nur um dann wieder im gleichen Takt, am Ende des Songs, eine komplett Metal verliebte Einheit zu bilden. Grandios! Ein Song mit so viel Atmosphäre zum richtigen Zeitpunkt der Setlist.
Es folgen weitere Titel wie dem neueren "BREATH", dem tanzbaren "paranoid parade" oder dem schon über fünf Jahre alten Song "insult kiss me". Während der folgenden Songs bespuckt Ai die ersten Reihen mit Wasser, was auch dankbar angenommen wird, wechseln Takaki und Kosuke ihre Plätze, wird das Podest für weitere Gitarrensoli genutzt und das Mikrofon in einer offensichtlichen Anspielung von Ai abgeschleckt und in den Mund geschoben.
Es gibt viel zu sehen, doch wirklich sichtbar sind hier die Ermüdungserscheinungen der Fans. Diese bewegen sich nun deutlich weniger und scheinen bei "abyss" fast nur noch zu schunkeln. Aber aufgeben will hier niemand. Denn schon jetzt kann man sagen dass die Setlist des heutigen Abends beinahe alles zu bieten hat. Doch DEATHGAZE sind mit Nichten am Ende. Der Song "genocide and mass murder" verlangt nochmal jedem alles ab. Selbst Ai bekommt gelegentlich nur noch anspornende Schreie heraus und schnappt hastig nach Luft. Es ist herrlich zu beobachten wie sich Band und Fans gegenseitig alles abverlangen und den jeweils Anderen fordern. Und so scheinen beide Parteien fast schon dankbar über die erste ausgedehnte Pause. DEATHGAZE verlassen die Bühne, Fans bahnen sich einen Weg zur Theke oder zum Merchandise, während hartgesottene schon mit Encore-Rufen in den ersten drei Reihen formiert eine Zugabe fordern. Aber bei aller Liebe - diese Pause sei allen gegönnt.
Als die Bandmitglieder noch einmal einzeln die Bühne betreten und sich kurz vorstellen, wird klar, dass es dem Ende zu geht. Kosuke eröffnet diesen vorerst letzten Abschnitt mit einem kleinen Bassintro, was von Naoki‘s Drums gefolgt wird. In einem rhythmischen Zusammenspiel wird das Publikum zu anfeuernden HeyHeyHey-Rufen motiviert. Dieses hat seine Stärke wieder gefunden und ist bereit gerade bei den letzten Songs DEATHGAZE gebührend zu feiern.
Und so wird bei "IRIDIZE DREAM" ordentlich getanzt. Die ausschweifende Freude in den Gesichtern der Fans lässt den Abschied beinahe vergessen. Nach "THE END" und "DECADE" kommt dann mit "CRASH DOWN" der wahre Höhepunkt dieser bisher schon famosen Show. Jetzt drehen alle komplett durch. Es wird sich gedreht, gepogt, gesprungen und geschrien. Während man einen Arm des Nachbarn im Gesicht hat, hat der vor einem die eigene Hand auf dem Kopf und zwei Füße gleichzeitig auf dem Eigenen. Es ist ein wildes und buntes Durcheinander, ohne dabei rücksichtslos anderen in den Rücken zu springen oder Derartiges. Mit einer Menge Respekt und stattlichem Wahnsinn wird "CRASH DOWN" zur Hymne des Abends und zum Katalysator der letzten beiden Songs. Ai gibt noch einmal auf Deutsch und Japanisch zu verstehen, dass er alle liebt und sich freut hier sein zu dürfen, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass dies die letzten zwei Songs sein werden - für diesen Abend.
Mit "Lichtsäule / リヒトゾイレ" und "Yami ni ame fukaishita sekai / 闇に雨 腐敗した世界" wird das Publikum noch einmal kräftig bewegt, bis auch diese zehn Jahre alten Klassiker dieser ganz speziellen Formation ihr Ende finden und damit auch die vorerst letzte Begegnung von Deutschland und DEATHGAZE. So gut wie keine Gespräche nach dem Konzert mit den Fans waren von Enttäuschung geprägt. Wer noch ein Tourshirt in seiner Größe ergattern konnte durfte sich ohnehin glücklich schätzen und so ist was nach diesem Abend bleibt, eine zufriedenstellende Erschöpfung und die Hoffnung, nach einem Wiedersehen in naher Zukunft. Denn eine Band, die nach fünf Alben noch so schön roh und gleichzeitig so harmonisch ihre Songs verpackt, darf man eigentlich nicht missen müssen.
Auch wenn sich DEATHGAZE mit dem aktuellen Longplayer "ENIGMA" nicht gerade mit Raffinesse bekleckerten, zeigt gerade die breit gefächerte Setlist eine wunderbare Mischung aus dem gesamten Schaffen dieser vierköpfigen Truppe. Wer DEATHGAZE noch nicht live gesehen hat, oder diese Band gar nicht kennt, hat nicht nur an diesem Abend eine Menge verpasst.
SETLIST
01. CREATURE
02. DEAD BLAZE
03. BLEED TEARS
04. RING THE DEATH KNELL
05. Vice
06. NEWBORN -wrongful life-
07. forsaken
08. miscarriage
09. Dies Irae / ディエスイレ
10. BREATH
11. paranoid parade
12. UNDEAD FACE
13. insult kiss me
14. domestic pig #1013
15. abyss
16. genocide and mass murder
ENCORE
17. IRIDIZE DREAM
18. THE END
19. DECADE
20. CRASH DOWN
21. Lichtsäule / リヒトゾイレ
22. Yami ni ame fukaishita sekai / 闇に雨 腐敗した世界
JaME bedankt sich ganz herzlich bei B7Klan und Weird*World für die Zusammenarbeit.