Interview

Tokyo Decadance in Paris

02/05/2007 2007-05-02 12:00:00 JaME Autor: Asagi Übersetzer: Geisha

Tokyo Decadance in Paris

Während ihres Aufenthalts in Frankreich als Gäste von PRÊT À PORTER PARIS hatten wir das Glück, ein langes Interview mit den acht Mitgliedern von Tokyo Decadance führen zu können.


© JaME
Auf der vom 1. bis 4. Februar 2007 stattfindenden Modemesse PRÊT À PORTER PARIS gab es auch einen Bereich namens "Shibuya", der japanischen Kleidungsstilen gewidmet war. Tokyo Decadance waren als Repräsentanten des Tokioer Underground eingeladen worden.

Die Designer Takuya Angel und Bambi (Succubus) hatten einen Stand, an dem sie ihre Kreationen ausstellten. Jeden Tag demonstrierten die beiden Performer zwei Stunden lang ihr Tanz-, Gesangs-, Schauspiel- und komödiantisches Talent. Wir trafen uns mit ihnen am ersten Tag der Messe.

Hallo alle miteinander!


Tokyo Decadance: Hallo Frankreich!

Hattet Ihr eine gute Reise?

Sisen: Sehr gut.
Kengo: Wir hatten viel Spass!
Adrien: Sie war etwas lang wegen der Zwischenlandung in Russland, aber angenehm.

Könntet Ihr Euch bitte vorstellen?

Sisen: Ich bin DJ Sisen. Ich mache viele verschiedene Sachen, zum Beispiel suche ich Models für bestimmte Magazine aus, organisiere TV-Auftritte und assistiere bei der Organisation von Tokyo Decadance.
Kengo: Ich bin Kengo, eine Bakterie und ein Gehirnsauger!
Anna: Ich ziehe meine Kleider aus und tanze. (lacht)
Bambi: Hallo, ich heisse Bambi. (auf Französisch) Ich designe Fetish-Kleidung und mein Label heißt Succubus.
Adrien: Sie ist Beraterin; eine Repräsentantin des phänomenalen Gothic-Lolita-Stils.
Coco: Ich bin Gogo-Dancer und kann mein Aussehen in einer Nacht zehnmal verändern.
Selia: Ich bin Opernsänger und Mitglied in Sisens Band Seirenes.
Adrien: Selia ist sehr bekannt in der japanischen Gothic-Szene. Ich bin Adrien und habe Tokyo Decadance ins Leben gerufen.

Wie habt Ihr Euch alle getroffen und wie ist Tokyo Decadance entstanden?

Adrien: Als ich nach Tokio zog, wollte ich solche Parties organisieren, also suchte ich die anderen einen nach dem anderen zusammen. Japaner tauschen sich nicht gerne untereinander aus. Zum Beispiel: Goths gehen zu Gothic-Events, Yamambas gehen zu Yamamba-Events und so weiter. Ich wollte einen Abend mit den verschiedenen Underground-Szenen organisieren, also erzählte ich allen, daß es ein Abend für ihre jeweilige Subkultur sei und so kamen sie alle. Sisen nahm an dem ersten Event nicht teil, weil er einer der Gäste war.

Wie bist Du auf den Namen Tokyo Decadance gekommen und was bedeutet er für Dich?

Adrien: Tokio und dekadent? (lacht) Es bedeutet für mich eine Mischung von verschiedenen Genres.

Könntest Du bitte für die Uneingeweihten erklären, was auf diesen Events passiert?

Sisen: Es ist ein Event, auf dem sich all die verschiedenen Subkulturen treffen, ihre verschiedenen Stile miteinander vergleichen und mehr über einander lernen. All diese verschiedenen Gruppen versammeln sich, um etwas Neues zu schaffen – das passiert auf unseren Events. "Normale" Leute sind ebenfalls willkommen.

Wie lange interessiert Ihr Euch schon für die verschiedenen Musikrichtungen, die jeder von Euch repräsentiert?

Kengo: Ich wurde so geboren.
Anna: Seit ich klein war und mit der Flasche gefüttert wurde. (lacht)
Bambi: Seit dem College.
Sisen: Seit ich 13 war.
Selia: Seit ich 9 war.

Woher bekommt Ihr Eure Inspiration für Eure Musik und Mode?

Selia: Von meiner Mutter.
Kengo: Vom Mars.
Anna: Von traditionellen japanischen Stilen.
Sisen: Für mich ist es eine Mischung aus...Gothic, Drag Queen, Electro und Industrial.
Adrien: Eine Menge Dinge: Elektro, Filme wie Alien und Mad Max, Mangas und so weiter.

Wie lange braucht Ihr, um Euch für den Abend zu stylen?

Bambi: 1 Stunde.
Sisen: 30 Minuten.
Anna: 2 Stunden.
Kengo: Ich wurde so geboren.
Coco: 1 Stunde.
Adrien: 20 Minuten bis...28 Stunden.
Selia: 1 Stunde.

Macht Ihr Eure Kostüme selbst?

Sisen: Ein paar.
Adrien: Lügner! (lacht)
Sisen: Ja, manche.
Adrien: Nein, nein. Er macht nichts selbst, Takuya Angel kleidet ihn ein. (lacht)
Takuya Angel: Ja, er ist mein Mannequin.
Bambi: Ich mache sie selbst.
Kengo: Ich auch, ich mache sie auch selbst.
Coco: Ich kaufe manche und andere mache ich selbst.

Macht Ihr Eure eigene Musik?

Sisen: In letzter Zeit schon.
Selia: Ja.
Kengo: Ich auch.

An die anderen: wie wählt Ihr die Stücke für Eure Shows aus?

Bambi: Ich benutze Musik aus Filmen und Anime.
Anna: Popmusik, traditionelle Musik, Hip Hop.
Adrien: Es variiert stark, bleibt aber immer sehr Gothic und Industrial.

Sisen, auf deinem MySpace sagst Du, dass Du mit der Welt außerhalb von Japan in Verbindung treten möchtest. Warum möchtest Du das?

Sisen: Es ist nicht sehr zeitintensiv, aber trotzdem kann ich nicht allen antworten, die dort eine Nachricht hinterlassen. Ich denke, man muß für die Welt draußen offen sein, und MySpace ist meiner Meinung nach der beste Weg.

Adrien, Du bist Franzose. Warum hast Du Dich entschieden, in der japanischen Industrial/Cyber-Szene zu arbeiten und nicht in der europäischen?

Adrien: Vor drei Jahren war die Atmosphäre in Europa, besonders in Frankreich, ziemlich gespannt. Manche Leute sind einfach intolerant und gewalttätig und wenn sie jemanden sehen, der sehr anders ist, machen sie Ärger. Bevor ich nach Japan gezogen bin hatte ich jeden Tag Probleme in der U-Bahn. In Japan gibt es keine Gewalttätigkeit und das ist großartig.

Dürfen wir uns auf eine Show mit den Japanern freuen?

Adrien: Natürlich.

Was denkt Ihr über die Verbreitung von J-Musik in Europa?

Sisen: Die Europäer suchen sich immer die schlechteste japanische Musik aus. Sie sollten sich lieber die guten Sachen anhören, die man dort finden kann.
Adrien: Früher war Visual Kei gut, aber jetzt gibt es viele sehr kommerzielle Bands und es ist langweilig geworden. Außerdem ist dieses Genre heutzutage in Japan eher marginal.

Sisen, Du bist unter den Namen DJFOX666, DJ Violet und natürlich DJ Sisen bekannt. Warum hast Du drei verschiedene Pseudonyme?

Sisen: Stimmt, ich habe viele Namen... Ich habe festgestellt, dass Sisen auf den Flyern nicht sehr auffiel, also habe ich verschiedene andere Namen hinzugefügt. Einen dieser anderen Namen habe ich auch in meiner Zusammenarbeit mit Despair benutzt.

Bambi, Du bist Designerin für das Label Succubus. Woher kommt Deine Leidenschaft für diese Art von Mode?

Bambi: Ich liebe den Fetish-Look. Ich möchte, daß er von allen friedlich promotet wird.

Selia, Du bist Opernsänger. Bei Deinen Auftritten ist Deine Stimme wirklich wunderbar. Wie ist es Dir gelungen, von Oper auf elektronische Musik umzusteigen?

Selia: Die klassische Seite der Musik ist zeitlos und Elektronik ist unsere Zukunft. Es ist logisch, beides in der heutigen Zeit miteinander zu vermischen.

Kengo, Du bist ein großartiger Tänzer. Bist du von Para Para inspiriert?

Kengo: Danke!!! Ich tanze, um die Welt anzustecken!

Sagt uns, was Ihr über die Person auf Eurer linken Seite denkt.

Anna (über Kengo): Er sieht sehr gut aus.
Kengo (über Coco): Ein Teufel.
Coco (über Selia): Sehr elegant. Eine echte Lady.
Selia (über Sisen): Ein kleines Kind.
Sisen (über Adrien): Der Messias! Er wird eine Revolution beginnen.
Adrien (über Anna): Sehr pervers.
Anna (über Bambi): Sie ist immer am angeln und denkt immer an alles.
Bambi (über Anna): Wenn Anna zu einem Event kommt, dann kommt jeder!

Ein letztes Wort an die Fans?

Sisen: Ich möchte die Leute, die sich für uns interessieren, dazu auffordern, nach Japan zu kommen. Kommt und seht! Wir warten auf Euch!

Vielen Dank für Eure Aufrichtigkeit und Euren Enthusiasmus.

Am Freitag, den 2. Februar, fand im Le Klub in Paris das erste französische Tokyo Decadance statt. Von 22 Uhr bis Sonnenaufgang gaben DJs, Tänzer und Sänger alles, um diesen Abend erinnernswert zu machen. Wir ergriffen die Gelegenheit und fragten kurz, was sie von ihrem französischen Publikum halten.


Adrien: Ich war sehr überrascht. In Japan braucht das Publikum etwas Zeit, um sich für uns zu erwärmen, aber hier passierte es sehr schnell. Ich finde es großartig, daß wir ohne viel Werbung 427 Gäste hatten. Es hat mir sehr gefallen und ich hoffe, daß wir bald zurückkehren können, sowohl nach Frankreich als auch nach Europa.

Am Mittwoch, den 7. Februar organisierten Tokyo Decadance im OPA ein letztes Event vor ihrer Abreise am nächsten Morgen. Im Vergleich zu dem vorigen war dieser Abend ruhiger und intimer. Die Mitglieder hatten sehr nahen Kontakt zum Publikum. Kengo traute sich sogar, sein Marsmenschenkostüm auszuziehen (was er in Japan sonst nie tut) und es einer leicht bekleideten Dame zu geben. Tokyo Decadance benutzten die später stattfindende kleine Feier dazu, ihren Fans zu danken und scheuten sich nicht, sich unters Publikum zu mischen. Zum Abschluß öffnete Adrien noch einige Flaschen Champagner.

Am nächsten Tag begleiteten wir Tokyo Decadance zum Flughafen und sie brachen zum Heimflug auf, aufrichtig gerührt und voller Eifer, so bald wie möglich zurückzukehren.
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