Konzertbericht

Moi dix Mois auf dem 15. Wave-Gotik-Treffen

20/11/2006 2006-11-20 12:00:00 JaME Autor: Geisha

Moi dix Mois auf dem 15. Wave-Gotik-Treffen

Bericht vom Auftritt der Japaner auf dem weltgrößten Gothic-Festival, Leipzig, 4. Juni 2006


© Midi:Nette
Mana, Chef und kreativer Geist hinter Moi dix Mois, Malice Mizer und dem Gothic Lolita-Modelabel Moi-même-Moitié, war einer der ersten J-Rock-Künstler, den die europäische Gothic-Szene für sich entdeckte. Das sollte nicht sonderlich überraschen, denn sowohl in musikalischer als auch ästhetischer Hinsicht fügt sich der exzentrische Japaner beinahe nahtlos in die schwarze Szene ein.

Dennoch stellte Moi dix Mois' Auftritt auf dem diesjährigen Wave-Gotik-Treffen in Leipzig, dem weltgrößten Gothic-Festival mit 20.000 Besuchern jährlich, eine Herausforderung dar. Trotz mehrerer Cover-Stories in etablierten Szene-Magazinen haben japanische Künstler in der Gothic-Szene noch immer Exotenstatus und Moi dix Mois hatten sich bei ihrem Debüt gleich als Headliner angesagt. Zudem wird J-Rock in den Medien zunehmend als Mainstream-Trend gehandelt und die Gothic-Szene, die wie alle Subkulturen Kommerzialisierung und den Ausverkauf ihrer Ideale fürchtet, bringt solchen Trends daher tiefes Mißtrauen entgegen.

Sichtlich nervös standen die Japaner also am 4. Juni gegen 1 Uhr morgens als "Mitternachtsspezial" auf der Bühne der Agra-Halle, direkt nach Deine Lakaien, einer der angesehensten und musikalisch brilliantesten Bands der Szene. Die Lakaien hatten die riesige Halle bis unters Dach gefüllt und nachdem sie ihr Set beendet hatten blieben die meisten Zuschauer trotz der späten Stunde, um die Gäste aus dem fernen Osten einmal genauer in Augenschein zu nehmen.

In typischer Manier eröffneten Moi dix Mois mit ihren schnellsten und aggressivesten Stücken, allen voran "deus ex machina". Der Kontrast zwischen der introspektiven Musik der Lakaien und dem energiegeladenen Gothic Metal von Moi dix Mois hätte kaum größer sein können und so kam es zu einem spontanen Publikumsaustausch wie er auf Festivals, auf denen sich Bands mit unterschiedlichen Musikstilen auf der selben Bühne tummeln, häufig zu beobachten ist: während der ersten drei Songs verließ etwa ein Viertel der Zuschauer die Halle. Die Zurückgebliebenen zählten jedoch noch immer mehrere Tausend und, angelockt durch die Musik, strömten gleichzeitig von draußen immer mehr Neugierige in die Halle bis diese wieder prall gefüllt war.

Wie erwartet spielten Moi dix Mois hauptsächlich Stücke von ihrem letzten Album, "Beyond the Gate", doch wurden auch ältere Publikumslieblinge wie "Forbidden", "Perish" und "The Prophet" nicht vergessen. Band und Publikum brauchten eine Weile, um sich aneinander zu gewöhnen. Der verdutzte Ausdruck auf den Gesichtern der Musiker, als diese riesige Menge, anstatt in lauten Jubel auszubrechen, das Geschehen auf der Bühne aufmerksam aber schweigend verfolgte und nach jedem Lied höflich applaudierte, verriet deutlich, daß sie noch nie zuvor vor einem reinen Gothic-Publikum gespielt hatten. Der Wendepunkt kam, als Moi dix Mois ihre neue Ballade, "Xanadu", anstimmten, die Sänger Seth die Gelegenheit bot, sein beachtliches stimmliches Talent voll zu entfalten. Die Menge lauschte gebannt den herzzerreißenden Tremoli, die so manches Auge feucht werden ließen. Als die Japaner danach wieder zu einer rasanteren Gangart übergingen, reagierte die Menge voller Enthusiasmus und nicht wenige reckten sogar die Hände zur Pommesgabel empor - einer Geste, die sonst in Gothic-Kreisen verpönt ist.

Die Musiker überwanden nun ihrerseits nach und nach ihre Nervosität bis sie endlich in gewohnt selbstbewußter Manier über die Bühne fegten. Mana kletterte seinen riesigen Plateaustiefeln zum Trotz auf die mannshohen Lautsprecherboxen vor der Bühne und posierte dort stolz mit seiner Gitarre, während Seth und K sich scherzhaft um das Mikrophon balgten. Gegen Ende des Sets herrschte eine ausgelassene Party-Stimmung sowohl bei den Musikern auf der Bühne als auch den Zuschauern im Pit, die schließlich sogar lautstark nach einer Zugabe verlangten.

Sonst gilt bei Moi dix Mois' Konzerten, wie bei fast allen japanischen Bands, striktes Fotografierverbot, doch auf dem WGT sind Fotos generell erlaubt und so war die Band von einem wahren Blitzlichtgewitter empfangen worden, das während des gesamten Auftritts nicht abriß. Nun revanchierten sich Mana und K, indem sie zur Zugabe mit Handycam und digitaler Kamera bewaffnet auf die Bühne marschierten und ihrerseits das Publikum filmten. Die Band hatte ihr Zeitlimit bereits überschritten und so gaben sie nur einen weiteren Song zum besten, bevor sie sich endgültig von ihrem nunmehr aus voller Kehle jubelnden Publikum verabschiedeten. Mana blieb als letzter auf der Bühne zurück, drehte wilde Pirouetten und spielte seine Gitarre über dem Kopf, während die Menge ihn mit lauten "hey, hey, hey"-Rufen anfeuerte. Als dann auch er, noch immer Gitarre spielend, verschwand, wurden sofort Rufe nach einer weiteren Zugabe laut, doch inzwischen war es nach 2 Uhr morgens und so mußte der Saal leider geräumt werden.

Alles in allem dürften sowohl die Band als auch der Veranstalter mit Moi dix Mois' WGT-Debüt zufrieden gewesen sein. CDs und Merchandise waren bereits kurz nach dem Konzert restlos ausverkauft - eine beachtliche Leistung wenn man bedenkt, daß die meisten der Anwesenden bis vor kurzem noch nie etwas von dieser Band gehört hatten. Doch die nächste Herausforderung zeichnet sich bereits ab: diese neu gewonnenen Fans mit Moi dix Mois' bestehendem J-Rock-Publikum zu versöhnen ist keine leichte Aufgabe, doch wenn die Japaner ihr volles Potenzial erreichen wollen, dann werden sie einen Weg dazu finden müssen.
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