Interview Exklusiv

Interview mit MIYAVI in São Paulo

28/06/2020 2020-06-28 11:06:00 JaME Autor: Nana Übersetzer: Vanessa Redakteur: Coco

Interview mit MIYAVI in São Paulo

Am Tag vor seinem Konzert in Brasilien berichtet MIYAVI ein wenig über seine neuesten Veröffentlichungen und seine Arbeit als Goodwill-Ambassador (Botschafter des guten Willens).


© MIYAVI. All Rights Reserved.
Am regnerischen Nachmittag des 24. Januar 2020, dem Vorabend seines fünften Auftritts in Brasilien, traf MIYAVI JaME in dem Hotel, in dem er in São Paulo übernachtete und erzählte uns ein wenig über seine letzten Veröffentlichungen, seine Partnerschaften in Hollywood und seine Arbeit als Goodwill-Ambassador (Botschafter des guten Willens).

Im Jahr 2018 hatten wir kurz vor dem Konzert ein Interview und es ist schön, Sie wieder hier zu haben. Haben Sie irgendwelche Erinnerungen an diesen Tag?

MIYAVI: Ja... Bei dieser Tournee, ich glaube, es war die Day 2 Tournee, hatte ich eine tolle Zeit mit den Crew-Mitgliedern... Damals hatte ich, glaube ich, auch Support Sänger, und dann erinnere ich mich, dass wir die Show in Argentinien absagen mussten... Wir hatten wirklich viel zu tun, aber wie immer in Brasilien, São Paulo, bekamen wir positive Energie von den Leuten, weil sie wirklich, wirklich musikalisch und so lebendig waren... So viel Energie vom Publikum! Ja... das war wie immer eine tolle Erinnerung.

Seit unserem letzten Treffen haben Sie zwei Alben veröffentlicht. Lassen Sie uns zuerst über "SAMURAI SESSIONS vol. 3 - WORLDS COLLIDE-" sprechen. Wie auch bei den anderen Bänden haben Sie mehrere Kollaborationen gemacht. Warum haben Sie beschlossen, dieses Album "WORLDS COLLIDE" zu nennen?

MIYAVI: Weil ich in LA, Amerika, ansässig war, hatte ich viele Gelegenheiten, mit amerikanischen Künstlern, sogar mit einigen Künstlern aus anderen Ländern, zu arbeiten - mit ihnen zusammenzuarbeiten. Die Idee des Albums war also, die Künstler, mit denen ich zusammengearbeitet habe, mit japanischen Künstlern zu kombinieren. Für mich ist es auch meine Verantwortung: japanischen Künstlern die Tür zum globalen Markt zu öffnen; und dann sah ich, wie in der japanischen Musikszene eine Art Erfahrung gemacht wurde, wie die Dinge im Ausland laufen. Dann wollte ich mit dieser Kreation ein Exempel statuieren. Meine Aufgabe ist es also, eine Brücke zwischen Japan und der ganzen Welt zu sein, was damit beginnt, was ich mit der Musik zu tun versuche. Darum habe ich es so gemacht.

Auf diesem Album haben Sie einen Remix von "Pink Spider" von hide gemacht. Was haben Sie bei der Aufnahme dieses Liedes empfunden? Woher kam diese Idee?

MIYAVI: Seit ich als Solokünstler debütiert habe, stand ich den Mitarbeitern, die früher für hide gearbeitet haben, nahe und verbrachte Zeit mit ihnen; eigentlich mit seinem Team. Ich war also seinem Werk, seinen Vibes, seinem Vermächtnis sehr nahe. Als Fan seiner Musik gehörte ich natürlich zu den Fans, die sich von seinen Kreationen und seinem Weg inspirieren ließen.

Um ehrlich zu sein, habe ich mich in letzter Zeit von der Visual-Kei-Industrie ferngehalten, weil ich mich als Musiker verantwortlich fühlte, zu kreieren und mich auch dem globalen Markt zu nähern und mich dann ohne einem bestimmten Image eines Genres verpflichtet zu sein. Deshalb schätze ich die Fans der Musik von MIYAVI und auch alle, die mit der Visual-Kei-Industrie vertraut sind sehr,...sehr. Es ist ein großer Markt, und unsere Musik wird gebraucht, aber gleichzeitig wollte ich davon nicht abhängig sein. Als Künstler bin ich dafür verantwortlich, mein Publikum auf die nächste Stufe zu bringen, damit es stolz auf sich sein kann, auch wenn es mit Leuten außerhalb dieser Box Gespräche führt. Ich möchte nicht "in eine Box" gesteckt werden und mein ganzes Leben lang eine gute Zeit habe, ohne zu wissen, was außerhalb dieser Box geschieht. Ich möchte, dass meine Fans stolz auf sich sein können, wenn sie mit ihren Eltern oder Klassenkameraden oder mit welchen, denen die Visual-Kei-Industrie egal ist, über meine Musik reden.

Deshalb habe ich beschlossen, mich von dieser Industrie fernzuhalten, weil ich nicht von dieser Fanbase abhängig sein wollte - dieser starken Fanbase. Aber seit Kurzem, um ehrlich zu sein, bin ich selbstbewusst genug, um die ganze Welt zu rocken, egal was passiert. Als Musiker, als Schauspieler, als Modemodel, als Japaner bin ich wirklich selbstbewusst. Es fing natürlich und zwanglos an, auch diesen [Teil der japanischen] Kultur mit einzubeziehen. Ich habe den Film Bleach gemacht. Ich glaube, das hätte ich nicht getan, wenn es drei oder vier Jahre her wäre, als ich diese Art Kimono-Kram [getragen] habe; beinahe schon Cosplay. Selbst wenn ich diese Anime und Manga [und ihre Bedeutung] für die Geschichte respektiere, hätte ich das vor vier Jahren nicht getan, weil ich in der Vergangenheit [Angst hatte, dass ich] den Leuten dieses Bild von solchen Dingen vermitteln würde und sie dann meine Musik mit diesem Eindruck beurteilen würden. Jetzt habe ich das Gefühl, dass die Musik, die ich schaffe, viel stärker ist als dieses voreingenommene Bild, das die Leute von der japanischen Industrie haben, und ich habe das Selbstvertrauen, es zu ändern.

Ich hatte also die Gelegenheit, bei der 20. Memorial-Show von hide aufzutreten, und dann schloss ich sie - ich kannte diese Leute und auch den Bruder von hide. Und dann kam mir einfach so eine Idee, [die Idee, "Pink Spider" zu covern], und dann liebe ich natürlich den Song... der Song kam vor meiner Abreise nach Tokio heraus. Also, ich weiß, ich habe natürlich YOSHIKI kennengelernt, und wir haben zusammen eine Band gegründet, und ich habe auch die anderen Mitglieder kennengelernt... aber ich habe hide nie getroffen... Erstens, dieses Lied ist wirklich gut gemacht, und es hat auch eine starke Bedeutung... und es war auch das richtige Timing für mich, dieses Lied zu covern.

Was war Ihre Inspiration für das Album "NO SLEEP TILL TOKYO"? Dieses ist hauptsächlich auf Japanisch und wird nur von Ihnen gesungen, mit nur einer Zusammenarbeit.

MIYAVI: Also, als Japaner, ich meine, als Gitarrist, habe ich versucht, mich mit der Gitarre auszudrücken, vor allem außerhalb Japans. Ich habe gedacht, meine Waffe ist die Gitarre, nicht der Gesang. Besonders auf Englisch. Es ist schwer, mit einer Sprache zu singen und sich auszudrücken, die man als Kind nie gelernt hat; also habe ich versucht, ein Image von mir als Gitarrist zu erstellen, was ich immer noch tun sollte.

Aber auf der anderen Seite gibt es viele meiner Fans, die MIYAVI wegen dieser Botschaft in einer Sprache unterstützen - ich meine, die Texte mit meiner Stimme, MIYAVIs Stimme, die ich nicht... von der ich kein großer Fan gewesen bin... aber gerade dieses Mal wollte ich es für meine Fans machen, so wie ich es hätte tun sollen. Ich habe mich immer auf den globalen Markt konzentriert, [bringe] verschiedene Genres ein, jedes Mal experimentelles Zeug… Die Leute unterstützen mich immer noch freundlicherweise, es ist also eine gute Zeit etwas [mit diesem Gedanken im Hinterkopf] zu kreieren. Mit dieser Erfahrung war ich in der Lage, die Tür ausdrucksmäßig [durch Singen] mit einem Falsetto oder sogar einer tiefen Stimme zu öffnen... Ich entdecke auch neue Elemente und Dimensionen meiner Stimme.

Apropos Partnerschaften: Samuel L. Jackson eröffnete "SAMURAI SESSIONS vol. 3" und Sie waren in Maleficent 2 mit Angelina Jolie. Wie war die Erfahrung in der Zusammenarbeit mit diesen Hollywood-Künstlern? Wie hat sie Ihren künstlerischen Ausdruck und Ihre Karriere beeinflusst?

MIYAVI: Die stärkste Gemeinsamkeit dieser Leute ist die Großzügigkeit. Eigentlich nicht nur Großzügigkeit, sondern auch die Fähigkeit zur Großzügigkeit und der Freiheit der Kreativität. Also, inspiriert von diesen Leuten, die auf ihre eigene Art und Weise über das Ziel hinausgeschossen haben und alles, was sie wollten von alleine erreichen... Besonders Angelina, sie ist wie meine große Schwester und sie kämpft immer noch mit mir, sogar Samuel... er ist über siebzig, denke ich, und er ist immer noch da, an vorderster Front und kreiert neue Sachen, und er ist eine Schlüsselperson - ein Schlüsselakteur in der gesamten Unterhaltungsgeschichte der Welt. Man braucht eine Menge Energie und Leidenschaft [um so zu sein]. Also lerne ich jedes Mal, wenn ich mit diesen Leuten etwas tue. Ich lerne einfach. Für "Samurai Sessions" war Samuel L. Jackson sehr, sehr nett und auch kreativ und flexibel.

Sie kamen 2008 zum ersten Mal nach Brasilien, dann 2009, 2011 an die SWU und vor Kurzem in 2018. Sie gehören zu den japanischen Künstlern, die unser Land am häufigsten auf Reisen besucht haben.

MIYAVI: Wirklich?

Ja! Wie denken Sie darüber?

MIYAVI: Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich noch einmal auf das vorherige Thema zurückkommen. Wenn ich mit diesen professionellen Künstlern etwas mache - nicht nur mit Angelina Jolie und Samuel L. Jackson - fühle ich mich plötzlich verantwortlicher... Was bedeutet es für Sie, einflussreich oder berühmt zu werden? Wenn man immer wieder versucht, einfach nur berühmt zu werden, ist das ein Ziel, aber jetzt ist es kein Ziel, sondern nur ein Werkzeug. Was machen Sie mit dieser Macht? Das ist es, was ich von ihnen gelernt habe, und das ist auch Motivation [für mich], weiter voranzukommen.

Für mich, oft nach Brasilien zurückzukehren - ich meine nicht nur für mich, sondern für alle ausländischen Künstler - ist es finanziell riskant, in Ihrem Gebiet zu konkurrieren. Der sichere Ort für mich ist Asien - Japan und Asien. Es ist leichter zu handhaben, [mit] der gleichen Rasse, der gleichen Art von Traditionen, der gleichen Art zu arbeiten, der gleichen Elektrizität... aber wiederum bin ich dafür verantwortlich, die Tür zu öffnen, und es ist auch die Rolle der Musik, eine Brücke zwischen den Menschen zu sein.

Solange es Menschen gibt, die meine Musik hören und auch meine Karriere unterstützen, würde ich gerne kommen. Und für mich ist es nicht nur geschäftlich, es ist einfach mein Leben. Es ist dasselbe wie der Besuch von Flüchtlingslagern. Dieses Mal bin ich gerade aus Kolumbien eingeflogen. Also, noch einmal, ohne meine Fans wären wir nicht in der Lage, hierher zu kommen. Ich schätze einfach diese Gelegenheit und dann, solange ich es noch kann, [die Chance], mein Bestes für das Publikum zu geben, das die Tickets bekommt und auf die Show wartet. Also ja, ich bin einfach begeistert.

Da Sie Ihre Reise nach Kolumbien erwähnt haben, lassen Sie uns über Ihre Arbeit als Goodwill-Botschafter für den UNHCR sprechen. Was denken Sie darüber, so viele verschiedene Menschen zu treffen und ihre Geschichten zu hören? Wie übertragen sich diese Erfahrungen in Ihre Musik?

MIYAVI: Es ist so inspirierend und auch schockierend, Zeuge des Weges zu sein, den sie durchlaufen haben... und dann ist es manchmal einfach schwer zu hören... Das bezieht sich nicht nur auf Erwachsene, sondern auch für Kinder...Diese kleinen Kinder gehen einen schweren Weg, und manchmal traumatisiert es sie. Es ist also jedes Mal eine persönliche, inspirierende Erfahrung. Gleichzeitig ist es aber auch das, was ich bei anderen brauche - Treibstoff, um weiterzumachen, egal was, egal wie schwer es ist - das wird meine Motivation. Ich bekomme also Kraft von den Menschen, vor allem von jungen Kindern.

Egal, wo sie festgehalten werden, Kinder haben Macht, und dann werden wir immer vom Schlechten angeregt und inspiriert, und ich laufe immer vor ihnen davon und sie haben einfach Spaß, egal, was passiert. Das ist, glaube ich, die stärkste Fähigkeit, die Menschen haben, und ich respektiere sie. Deshalb möchte ich ihnen mit Musik, Sport, Kunst und Tanz etwas zurückgeben. Meine Rolle als Botschafter besteht also darin, die positiven Seiten der Flüchtlingskrise hervorzuheben. Ich meine Flüchtlinge, denn das Bild, das die Menschen von Flüchtlingen haben, ist wirklich dunkel, schwer, und es ist in der Tat schwer. Es geht nicht immer darum, eine Party zu feiern oder sich mit Musik zu amüsieren... es ist nicht immer so. Die meiste Zeit leiden sie.

Trotzdem sind es Menschen und sie sind stark. Deshalb möchte ich es der Welt zeigen - diese Belastbarkeit und auch die Kraft und die Stärke ihrer Lebenseinstellung. Sie sind die einzigen Menschen, die fähig sind, ich meine, die diese harten Wege überwunden haben. Wenn du nicht stark genug bist, bist du nicht da und eigentlich schon tot. Sie sind also wirklich stark, auch wenn sie Hilfe und unsere Aufmerksamkeit brauchen. Unwissenheit ist das Schlimmste auf der Welt, und um weiterhin den Weg zu ebnen, schenke ich ihnen meine Aufmerksamkeit. Ich spiele einfach weiter meine Musik.

JaME möchte sich bei MIYAVI, seinen Mitarbeitern und Highway Star für diese Interview- Gelegenheit bedanken.
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