Review

BABYMETAL - BABYMETAL

06/02/2016 2016-02-06 08:00:00 JaME Autor: Eva

BABYMETAL - BABYMETAL

Das selbstbenannte Debütalbum des Trios strotzt vor Niedlichkeit und Aggressivität.


© Amuse, Inc. / BABYMETAL
Album CD + DVD

BABYMETAL (Limited Edition)

BABYMETAL

Künstler: BABYMETAL
Titel: BABYMETAL
Typ: Album
Stil: J-Pop/Heavy-Metal
Veröffentlichung: 26.02.2014 (Japan) / 29.05.2015 (Deutschland)

Tracklist:

1. BABYMETAL DEATH
2. Megitsune
3. Gimme Chocolate!!
4. Iine!
5. Akatsuki
6. Doki Doki Morning
7. Onedari Daisakusen
8. Song 4
9. Uki Uki ★ Midnight
10. Catch Me If You Can
11. Rondo of Nightmare
12. Headbangeeeeerrrrr!!!!!
13. Ijime, Dame, Zettai

Bonus-Version:
14. Road of Resistance
15. Gimme Chocolate!! (live at O2 Academy, Brixton)


Der Versuch, mehrere scheinbar unvereinbare Musikrichtungen zusammen zu führen, ist keine Neuerscheinung. Dem jungen Trio BABYMETAL ist es gelungen, einen auf den ersten Blick kaum vorstellbaren Cocktail aus Genres und Stilen zu ihrem Markenzeichen zu machen. Zugleich verkörpern sie in ihrem Erscheinungsbild das, was in der öffentlichen Wahrnehmung einen wesentlichen Teil der japanischen Mainstream- und Jugendkultur ausmacht. Damit stellt die Band, die ihren Stil als "Kawaii-Metal" bezeichnet, ein einzigartiges und doch gewöhnungsbedürftiges Phänomen dar. Niedliches Aussehen, Spitzenröcke und piepsige Stimmen, die in einem Hit mit mehreren Millionen Klicks auf YouTube nach Schokolade verlangen, lassen sich mit dem recht harten Metalsound der Band kaum vereinbaren. Nichtsdestotrotz haben es Su-Metal, YuiMetal und MoaMetal geschafft, 13 kontrastreiche Songs auf eine Platte zu packen und als selbstbetiteltes Debütalbum herauszubringen.

Die 13 Tracks, von denen die meisten allerdings schon früher auf Singles erschienen sind, füllen über 50 Minuten Zeit. Wahrscheinlich ist das endgültige Zusammenstellen der schon veröffentlichten, live gespielten und vertrauten Songs eine gewisse Enttäuschung für die Fans, die das Schaffen der Formation schon länger verfolgt haben. Andererseits kann das Album als ein Fazit der vergangenen Experimentierjahre und zugleich als ein Start in die schon reifere musikalische Phase der Band betrachtet werden.

Der Eröffnungstitels "BABYMETAL DEATH" beginnt ruhig, mysteriös und ein wenig schwermütig, wird sogar mit kirchlichen Frauenchören intoniert. Da kann sich mancher eingefleischter Heavy/Death Metal-Fan schon wundern, ob er bei der Scheibe richtig gelandet ist. Doch nach einer Minute gewittert es nun richtig los, deftige Gitarrenriffs setzen ein und brutale männliche Stimmen brüllen "BABYMETAL". Ein passender Titel, um den Hörer auf das Album einzustimmen und zu zeigen, dass es BABYMETAL mit "METAL" durchaus ernst meinen.

"Megitsune" beginnt mit asiatischen Streichklängen, doch schnell reißen die einsetzenden Synthis den Hörer aus seiner Verträumtheit. Ein rascher Sprechgesang treibt das Stück ohne Unterbrechung voran, bis Su-Metal mit unglaublich weiblicher Stimme den Refrain beginnt. Ein sehr schöner, traditionell-japanisch angehauchter Part, den Su-Metal wie ein Schwören oder Gebet vorträgt. In dem regelmäßig eintretenden Chaos aus Musik und Gesang fügen sich Sprechsequenzen ein, durch welche der Titel allerdings an Melodik verliert. Das schmälert aber den gesamten Eindruck gar nicht.

Zu Beginn des dritten Titels kündigt eine männliche Stimme an: "Gimme Chocolate!!". Danach folgt eine schier endlose Knaller-Sequenz, die in das Wortgefecht von YuiMetal und MoaMetal übergeht. Mit ihren kindlichen Stimmen spucken die Sängerinnen in hoher Geschwindigkeit Wörter aus – sicherlich ein Lied, an dem nicht jeder Gefallen findet. Durch den übermütigen Refrain bekommt der Titel allerdings, ob man will oder nicht, ein riesiges Ohrwurmpotenzial.

"Iine" – ein perfekter Track für Dance Dance Revolution. In dem discotauglichen Song steckt viel Dynamik und Leichtigkeit. Die Elektro-Riffs reißen mit und die sich durchsetzenden deftigen Growls werden dann von zartem weiblichen Gesang verdrängt. Dieser Song verwendet zudem Elemente aus Hip Hop und R'n'B-Richtung und zuweilen stellt man sich als Hörer die Frage, wie all diese Stilrichtungen in einem einzigen Song unterkommen können.

Nach diesem durchgeknallten Tonkaleidoskop geht es zu "Akatsuki" weiter. Hier beginnt alles mit Su-Metals elegantem, klarem Gesang, untermalt mit einer verspielten Klaviermelodie, die sich über den kompletten Titel erstreckt und an die Leichtigkeit von Kompositionen des X JAPAN-Masterminds YOSHIKI erinnern. Die Klavierklänge und die mal sehnsuchtsvoll, mal hoffnungsvoll klingende Stimme von Su-Metal ergeben ein ganzheitliches Bild und lassen den Titel ausgeglichen wirken. Der Übergang zu Elektrogitarren ist durchaus geschickt und beeinträchtigt die Harmonie des Lieds nicht. Ein perfektes Ruhepause-Lied, um ein wenig Luft zu holen, bevor es mit den lauten Mischmasch-Tracks weitergeht.

"Doki Doki Morning" ist ein weiterer Titel, der sich auch zum Tanzen auf dem Dancefloor eignen würde. Die Elektro-Riff-Explosion am Anfang ist ziemlich spannend. Das alles wird mit schrillen Sprecheinlagen der beiden Background-Sängerinnen angezuckert.

Der darauf folgende Titel "Onedari Daisakusen" fängt kosmisch und geheimnisvoll an, und Su-Metals gedämpfte Stimme dringt wie aus einem Vakuum. Die rasch einsetzenden kraftvollen Drums wechseln mit einem mädchenhaften Monolog ab. Es geht nämlich um eine verwöhnte Tochter, die möchte, dass ihr Vater ihr alles kauft und schenkt. Alles, was "glitzert, was niedlich und lecker ist".

"Song 4" stellt ein Wirrwarr aus Tönen und Stimmen dar. Shouts, Screams, wuchtige Drumbeats und Thrash-Riffs hauen ineinjander und aneinander. Bei "Uki Uki ★ Midnight" herrscht Industrialsound vor, verdünnt durch den poppigen Refrain. Das sich in die Dubstep-Passagen mischende Frauengeflüster verleiht dem Track eine besondere Note. Leider wird das Flüstern durch Growling überschlagen.

"Catch Me If You Can" präsentiert eine Story mit zahlreichen auditiven Effekten, wie Uhrschlag und Schritte. Der Song klingt tatsächlich wie eine Inszenierung von Flucht und Verfolgung. Die durch Gitarren erzeugte Spannung steigt an, indem die Schritte im Hintergrund hastiger werden. Der stimmige Refrain klingt wie eine Ironie gegenüber dem Verfolger, dem die Protagonistin entflieht. In dieser und in den nachfolgenden Nummern werden übrigens auch J-Rock-Elemente deutlich.

Bei "Rondo of Nightmare" geht es sofort mit Metal los, der kurz darauf dem einfühlsamen Gesang von Su-Metal Platz lässt. Der Titel fällt melodisch und zugleich sehr dynamisch aus und ähnelt einer Serenade. Da das Album eine Ansammlung der binnen vier Jahre herausgebrachten Songs ist, wird beim Durchhören die Entwicklung der stimmlichen Bandbreite der Sängerin deutlich. Gerade "Rondo of Nightmare" bietet dazu eine gute Möglichkeit.
Das sich dem Gothic annähernde "Headbangeeeeerrrrr!!!!!" wird letztendlich von ausgesprochenem Thrash dominiert. Irgendwann wird das Stück zu einem Wahnsinn, in dem männliche Growls und Screams von Mädels zusammenstoßen und den Track bis zum Ende ebnen, bis die Gohic-Melodien wieder in den Vordergrund treten.
"Ijime, Dame, Zettai" klingt wie ein Aufruf. Es ist nicht verwunderlich, der Name des Titels bedeutet so viel wie "Mobbing geht gar nicht, absolut nicht!" und behandelt das Thema Mobbing an Schulen. Der Track beginnt melancholisch, als ob die Gefühle eines gemobbten Schülers musikalisch übertragen werden. Die Powermetal-Riffs bauen dann den Spannungsbogen auf und unterstützten musikalisch die eindringlichen Aufschreie "Dame" ("Stop!") der Sängerinnen.

Die Bonus-Version des Albums beinhaltet eine Live-Version von "Gimme Chocolate!!" und das mit einem kraftvollen, intensiven Drumming und klarem J-Rock-Sound gespickten "Road of Resistance". Bei der Nummer haben übrigens die englischen Power Metaller von DragonForce mitgewirkt.
Auf der dazugehörigen DVD sind sechs Videoclips und mehrere Liveaufnahmen vom Summer Sonic Festival 2013 zu finden, auf dem BABYMETAL unter anderem Headliner waren. Eine Chance auch einer visuellen Herausforderung entgegenzurteten und die popkulturelle Niedlichkeit nicht in der traditionellen pinken, sondern in einer wilden schwarz-roten Gestalt zu erleben.

Fazit:
Der stilistische Überfluss von BABYMETAL mag manche anlocken und manche abschrecken. In so einem verrückten musikalischen Mix, welcher sich beinahe durch alle Songs der Band zieht, findet sich der Hörer wohl anfangs nicht ganz zurecht. Die beiden stärksten Kontraste schaffen sicherlich die aggressiven Metal-Growls und die schwungvollen J-Pop-Melodien. Die Band hat jegliche Benennungen wie "Heavymetal-typisch" oder "J-Pop-typisch" zu einem übergreifenden "BABYMETAL-artig" gemacht. Mal schauen, mit welchen unerwarteten Genres BABYMETAL in Zukunft ihr schon extrem gemischtes musikalisches Repertoire noch ergänzen können.
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