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Kitty and the Bulldog: Lolita Fashion and the Influence of Britain

23/01/2013 2013-01-23 04:21:00 JaME Autor: Geisha

Kitty and the Bulldog: Lolita Fashion and the Influence of Britain

Das Victoria and Albert Museum in London zeigt eine Ausstellung über japanischen Street Style


© Nina Kefer
Lolitamode wurde in der westlichen Welt mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Während Fans des Stils es genießen, sich in aufwendige Outfits hüllen zu können, die weniger offenherzig als normale Jugendmode sind, neigen die Medien dazu, ihr Streben nach puppenhafter Niedlichkeit als Weigerung, sich der Realität zu stellen, zu interpretieren. Oder sie sind auf die Namensverwandtschaft mit Vladimir Nabokovs Roman "Lolita" fixiert und wittern eine Verbindung mit Pädophilie. Selbst Fans japanischer Popkultur und die Japanologie-Fachbereiche von Universitäten tun sich oft schwer damit, japanische Straßenmode und andere kulturelle Phänomene wie Cosplay und Visual Kei auseinanderzuhalten. Wie präsentiert das Victoria and Albert Museum, das weltgrößte Museum für dekorative Kunst und Design, Lolitamode?

Street Style ist kein Fremdwort für das V&A. Im Jahr 1994 zeigte es unter dem Titel Streetstyle: From Sidewalk to Catwalk eine Ausstellung über britische Straßenmode in Zusammenarbeit mit dem Anthropologen und Autor Ted Polhemus, die alternative britische Modestile der vergangenen 50 Jahre von Teddy Boys bis Cyberpunk feierte. 2003 veranstalte es im Rahmen seiner regelmäßig stattfindenden Friday Late Events eine Gothic Halloween Party mit von der Makeupmarke MAC gesponserten Makeovers, Tarotkarten legen, einem Zauberkünstler, Führungen zu den makabersten Ausstellungsstücken des Museums, dunklen Filmvorführungen, einem viktorianischen Leichenwagen und DJ Steve Weeks, der Favoriten aus Londons berühmtem Gothclub, Slimelight, auflegte. 2004 zeigte es eine Retrospektive der Arbeit von Vivienne Westwood, die zusammen mit Malcolm McLaren, dem Manager der Sex Pistols, viele richtungsweisende Kreationen der Punkmode, beispielsweise Bondagehosen, erfand und als Modedesignerin weltweiten Ruhm erlangte. Und 2011 veranstaltete eine Gruppe deutscher Lolitas eine moderierte Modenschau im Rahmen seiner Ausstellung Art & Design for all: The Victoria and Albert Museum in der Bundeskunsthalle in Bonn. 

Kitty and the Bulldog - ein Verweis auf Hello Kitty und die Hunderasse, die landläufig als Personifizierung von Großbritannien angesehen wird - ist Teil einer größeren Ausstellung namens British Design 1948 - 2012: Innovation of the Modern Age, welche die Olympischen Spiele in London Willkommen heißen soll. Sie zeigt sieben Beispiele von Lolitastilen, die einen britischen Einfluss aufweisen, und zwei Beispiele von Lolita und verwandten Stilen, die zu traditioneller japanischer Mode zurückkehren. Das Display ist in vier Abschnitte gegliedert - Sweet, Gothic, Punk und Wa-Lolita - und jeder Abschnitt wird von einer kurzen Erklärung des Stils sowie einer Zeichnung, welche den ihm zugrunde liegenden britischen Einfluss illustriert, begleitet. Sämtliche Outfits wurden von den Kuratoren der Ausstellung, Rupert Faulkner und Pauline Le Moigne, in Japan gekauft. 

Die ersten beiden Ausstellungsstücke sind Sweet Lolita gewidmet. Ein elfenbeinweißes und korallenrotes Baumwollkleid von Innocent World mit dem für Lolitamode typischen, glockenförmigen Rock, viel Tüllspitze und einen Druck im Rokokostil mit Engeln und Hasen zeigt eine eher klassische Interpretation des Stils. Das Outfit wird von einem weißen Sonnenschirm und einem Bastkorb, in dem zwei gestrickte Hasen sitzen, abgerundet. Die beliebte Sweet Lolita-Marke Baby the Stars Shine Bright ist mit zwei Outfits vertreten; eins aus seiner Hauptlinie und das andere aus seiner Nebenmarke, Alice and the Pirates. Die weißen und hellblauen Kleider und Haarschleifen unterstreichen den Einfluss von Lewis Carrolls Buch "Alice im Wunderland" - eins der Hauptthemen des Stils. Das Baby Kleid wird von rosa Ballerinaschuhen im "Tea Party" Stil und einer pastellfarbenen Tasche in der Form einer Uhr begleitet, während das Alice and the Pirates Outfit von einer weißen Schürze und einem großen, schwarzen Plüschhasen, der sich als Schultertasche herausstellt, vervollständigt wird. Die Kleidungsstücke, die auf recht wissenschaftliche Weise auf gesichtslosen Puppen präsentiert werden, sind sehr gut koordiniert und selbst die Fußspitzen der Puppen sind in Nachahmung des Kleinmädchenideals der Mode leicht nach innen gedreht. 

Gothic Lolita wird von Moi-même-Moitié, der Modemarke des Visual Rock Gitarristen Mana von Malice Mizer und Moi dix Mois, personifiziert. Das elegante, langärmlige schwarze Kleid, welches die für die Marke typische schwarze und blaue Farbkombination aufweist und mit bestickter Tüllspitze dekoriert ist, zeigt die etwas schlankere Silhouette, die für den Stil charakteristisch ist. Es wird durch ein passendes Headdress, eine schwarze und blaue Handtasche und einen schwarzen Sonnenschirm ergänzt. Der Einfluss westlicher Gothicmode, die ihren Ursprung in Großbritannien hatte, und von Trauerkleidung des 19. Jahrhunderts ist in den Kreuzdesigns auf dem Kleid und der Handtasche und in der Stickerei der Spitze, sowie in der Fledermausform der Tasche erkennbar. Ein langer, schwarzer Aristokratenmantel von Alice Auaa, mit Korsettdetails an der Taille, dem zerfetzter, weißer Stoff aus den Ärmeln fällt, und der  durch einen schwarzen Zylinder und Gehstock vervollkommnet wird, stellt das noch gruftigere, männliche Gegenstück zu Moitiés weiblicher Kombination dar. 

Das männliche und weibliche Thema setzt sich bei Punk Lolita und seinen Verweisen auf britischen Punk Rock und Vivienne Westwoods ikonischen Designs fort. Der weiblichen Variante des Stils, die von Putumayo gestellt wird, gelingt es, mit einem schwarzen T-Shirt und Tütü mit punkigem, weißen Aufdruck und Schottenkarodetails, die durch silberne Accessoires, Spinnennetzhandschuhe und eine Tasche in der Form einer räudigen, einäugigen Katze unterstrichen werden, eher niedlich als rebellisch zu erscheinen. Die männliche Version, die durch ein Kapuzentop und einen asymmetrischen Rock aus rotem und schwarzen Karostoff, Sicherheitsnadelaccessoires und eine ebenso räudige, streunende Katzentasche von Sixh. und MINT Neko veranschaulicht wird, konzentriert sich dagegen mehr auf die aggressiven als die niedlichen Aspekte des Stils. 

Japanische oder Wa-Lolita wird in zwei sehr unterschiedlichen Erscheinungsbildern gezeigt. Das männliche oder Unisex Beispiel des Stils wird durch die avantgardistischen Kreationen von Takuya Angel repräsentiert, die recycelte Kimonostoffe und traditionelle japanische Schnitttechnik mit westlichen Cyberpunk Details verbinden. Die weibliche Version wird durch die diskreten Designs von Mamechiyo Modern personifiziert. Man muss das sanft getönte Kimono Outfit schon genau unter die Lupe nehmen, um die augenzwinkernden westlichen Akzente, wie die spitzenbesetzte Handtasche im Stil der 50er Jahre, Headdress und Halsband, die von der Mode des 19. Jahrhundert inspiriert zu sein scheinen, oder den Hasendruck auf dem Obi, der zu "Alice im Wunderland" zurückführt, zu bemerken.

Kitty and the Bulldog ist eine kleine, aber wichtige Ausstellung. In Großbritannien ist Lolitamode weniger kontrovers als auf dem Kontinent, wo Lolitas mit den Klischees und Fehlinterpretationen, die in Medienberichten über die Mode und ihre Träger vorkommen, Bingo spielen. Doch je größer und prominenter die Lolitaszene wird, umso mehr wächst das Interesse der Öffentlichkeit. Kitty and the Bulldog ist zwar britischen Einflüssen gewidmet, doch ihre Macher verstehen die kreativen Kräfte, die hinter Lolitamode stecken, und  kommunizieren diese klar und deutlich. Außerdem hat das V&A mit einer Reihe von Veranstaltungen Kontakt zur britischen Lolitaszene aufgenommen. Darunter findet sich ein Friday Late namens Loli-POP! mit Vorträgen von Rupert Faulkner und Pauline Le Moigne, sowie Philomena Keet, der Anthropologin und Autorin des "The Tokyo Look Book", und Pat Lyttle, dem Autor von"Japanese Street Style". Ferner gab es einen Purikura-Automaten, spezielle Photoecken für Sweet, Punk, Gothic und Wa-Lolita, eine Kimonodemonstration, einen Schmuckworkshop, Nagel-, Wimpern- und Perückenbars, eine Vorführung "Kamikaze Girls", der Verfilmung von Novala Takemotos Roman über die Freundschaft zwischen einer Lolita und einer Yankee, DJs, die J-Pop and J-Rock auflegten, und ein Grand Alice Finale mit Lesungen aus "Alice im Wunderland" und Balletttänzern, die Outfits von Baby the Stars Shine Bright trugen. In der jüngsten Vergangenheit bot das Museum einen Vortrag mit einem der Kuratoren an, der die Verbindung zwischen viktorianischer Mode, westlichem Gothic und Punk erforschte. 

Wenn das hoch respektierte Victoria and Albert Museum zeigen kann, dass Lolita kein Fetisch oder eine Form von Wirklichkeitsflucht für unangepasste Teenager ist, sondern eine Mode, die Spaß macht und voller Kreativität steckt, werden die Medien und die Öffentlichkeit dies hoffentlich zur Kenntnis nehmen. Schließlich ist es in Großbritannien Tradition, Exzentriker zu tolerieren, und Street Style ist einer der erfolgreichsten Exportschlager des Landes.

Kitty and the Bulldog ist eine kostenlose Ausstellung und läuft noch bis zum 24. Februar 2013 in der Toshiba Gallery des V&A.
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